Ist es nötig, jemanden zu mögen oder zu lieben, um respektvoll mit ihm umzugehen? Muss man alle Verhaltensweisen einer Person gut finden, um ihr mit Respekt zu begegnen?
Meine persönliche Antwort dazu lautet ganz klar: NEIN!
Jeder Mensch ist bei seiner Geburt gleich wie der andere, egal wo oder wie er geboren wird, welche Hautfarbe er hat, ob seine Eltern reich oder arm sind. Wir alle sind eine unbeschriebene Festplatte, wissen nichts vom Leben und lassen die Festplatte von unseren Eltern, unserem Umfeld, unseren Lehrern, Vorgesetzten, Freunden etc. mit den Jahren immer mehr und mehr beschreiben. Wir werden geprägt von Lebensumständen.
Viele Menschen erleben oft schlimme Situationen, familiäre und gesundheitliche Probleme, sie werden misshandelt, gequält und mit Worten oder Taten von Anderen verletzt. Erst all diese Dinge machen jeden zu jener Person, die er ist. Er kann und wird aber morgen schon nicht mehr die exakt gleiche Person sein, weil er den heutigen Tag erlebt hat, schöne wie auch schlechte Erlebnisse hatte.
Weshalb sind wir denn nicht imstande, unserem Gegenüber, unserem Umfeld, immer nur schöne Erlebnisse mit auf den Weg zu geben? Weil wir alle gute und schlechte Tage haben, weil auch unser Umfeld uns nicht immer nur schöne Dinge mit auf den Weg gibt. Weil auch wir täglich mit Dingen zu kämpfen, Situationen zu meistern haben, die uns Kraft kosten.
Wenn aber jeder Mensch versuchen würde, dem anderen mit Respekt zu begegnen, zu akzeptieren, dass er vielleicht eine andere Hautfarbe, eine andere Lebenseinstellung, andere Prioritäten im Leben, andere Ansichten hat, könnte das Leben für jeden von uns einfacher werden.
Wie möchte ich gerne behandelt werden?
Möchte ich, dass mir jemand sagt: "Ich kann nichts mit Dir anfangen, ich mag Dich nicht, ich kann Dich nicht ausstehen!"?
Nein, das glaube ich nicht. Jeder wünscht sich doch tief im Herzen einfach nur, in Frieden leben zu dürfen und respektvoll behandelt zu werden, genau so wie er ist. Man kann mit jemandem über verschiedene Meinungen diskutieren, man kann über zwischenmenschliche Probleme reden, ohne den Respekt vor dem Gegenüber zu verlieren. Man kann ihm Aufmerksamkeit schenken, versuchen, ihn zu verstehen, seine Verhaltensweisen.
Wenn man nur schon zuhört, gibt man seinem Mitmenschen das Gefühl, ernst genommen und respektiert zu werden, dies kann Tür und Tor öffnen und vielleicht öffnet sich einem dann auch der Mensch, der einem gegenüber sitzt und vertraut einem seine Ängste, Probleme und Nöte an. Es könnte ja dann unter Umständen vielleicht sogar sein, dass man anfängt, Verhaltensweisen, Charakterzüge des Anderen zu verstehen, und vielleicht könnte so sogar aus respektvollem Umgang eine Freundschaft entstehen?! Wäre das nicht schön?
Stattdessen pressen wir Menschen in Schemen, werten Verhaltensweisen nach unserem persönlichen Empfinden, schubladisieren Leute, ohne überhaupt versucht zu haben, zu ergründen, warum dieser Mensch so ist wie er ist. Wir verletzen Personen, weil wir ihnen gerade heraus sagen, was WIR PERSÖNLICH von ihnen halten, ohne zu überlegen, was solche Aussagen tief drin in jedem Menschen auslösen können. Wir überlegen nicht, dass dieser Mensch aufgrund von Prägungen so geworden ist, wie er ist, dass es für diesen Menschen vielleicht eine Überlebensstrategie ist, so zu sein, wie er ist. Dass er so sein muss, um sein Leben täglich zu meistern. Wir vergessen auch , dass diese Person vielleicht genau so in sein anderes persönliches Umfeld passt, wie er ist, dass er für genau diese Charaktereigenschaften, die uns so sehr zuwider sind, von seinem Umfeld geliebt wird.
Nicht jeder Mensch ist so, wie wir ihn gerne hätten. Aber mit Akzeptanz, Respekt, Mitgefühl und Verständnis lässt es sich meiner Meinung nach mit jeder Person leben. Je mehr wir den Anderen respektieren, wie er ist, desto mehr wird er auch uns respektieren. Wer immer nur am Anderen herumnörgelt, braucht sich nicht zu wundern, wenn dieser anfängt, an uns herumzumotzen.
Für mich hat der respektvolle Umgang nichts mit Heuchelei zu tun, sondern mit Verständnis und bedingungsloser Liebe für die Mitmenschen. Jeder hat seine Macken und Tücken, wir wollen ja auch, das Unsere akzeptiert werden, weshalb respektieren wir also nicht auch jene des Anderen? Warum wollen wir immer Jeden ändern?
Wie langweilig es doch wäre, wenn wir alle gleich wären!
Wenn uns Charakterzüge und Verhaltensweisen einer Person überhaupt nicht zusagen, können wir versuchen, dieser auszuweichen, uns zu distanzieren. Sollte dies umständehalber nicht möglich sein, hilft es, den Hintergrund der Person versuchen zu verstehen, die Umstände, in denen er lebt, in denen er aufgewachsen ist. Wenn es trotzdem beim Unverständnis bleibt, wäre es trotzdem schön, sich respektvoll zu verhalten. Ich glaube, auch der am stärksten scheinende Mensch hat ein Herz und wird verletzt, wenn wir ihm unverblümt die Meinung sagen, jemandem unterstellen, "ein schrecklicher Mensch" zu sein oder Ähnliches. Auch wenn es nach aussen nicht den Anschein machen mag, innen drin kann das Vieles kaputt machen und der Mensch wird dann vielleicht noch mehr zu einem Menschen, mit dem wir nicht umgehen können.
Eine andere Möglichkeit wäre es vielleicht auch, seine eigenen Verhaltensweisen zu hinterfragen, seine eigene Einstellung sich selber gegenüber. Denn, so wie sich unser Gegenüber verhält, so denken wir über uns selber. Unser Gegenüber hält uns einen Spiegel vor.
Ich kann auch eigener Erfahrung sagen, dass ein schlechtes oder fehlendes Selbstwertgefühl dazu führen kann, dass die Mitmenschen auf einem herumtrampeln, ständig unsere Gefühle verletzen und uns schlecht behandeln. Seit ich intensiv daran arbeite, wieder mehr Selbstwert zu entwickeln, ziehe ich ganz andere Menschen an, ich habe neue Freunde, die so mit mir umgehen, wie ich es mir wünsche und wie ich auch mit ihnen umgehe. Dies ist das Prinzip der Resonanz, was für mich totale Gültigkeit hat.
In diesem Sinne hoffe ich für jeden von euch, respektvoll und freundlich behandelt zu werden!
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